Zürich 2024
Ort: Toni-Areal, Zürcher Hochschule der Künste (Pfingstweidstrasse 96), Kunstraum 5.K12.
Datum: 20. September 2024
Tagungsprogramm
13.30 Uhr: Registrierung und Begrüssungskaffee
Symposium
14.00 Uhr: Begrüssung
Prof. Dr. Cristina Urchueguίa
Prof. Dr. Dominik Sackmann
Chair: Dr. Luc Vallat
- 14.15 Uhr: Amy Brüderlin - “God loves you, but not enough to save you” – Verarbeitung religiöser Traumata in der Musik von Ethel Cain
- 14.45 Uhr: Johanna Kulke - Emilie Mayer: Der Versuch einer chronologischen Einordnung der zwei Versionen ihres Streichquintetts d-Moll
15.15 Uhr: Kaffeepause
- 15.45 Uhr: Gabrielle Weber - Musikavantgarde am Schweizer Fernsehen – elitäre Kunst begegnet Massenmedium
- 16.15 Uhr: Chuyu Zhang - Gebrauchsmusik – A Busonian Legacy?
Posterpräsentationen
16.45 Uhr
- Prof. Dr. Hanna Walsdorf, Helen Gebhart, Dr. Federico Lanzellotti undweitere NightMuse-Teammitglieder (tba) -The Night Side of Music: Towards a New Historiography of Musicking in Europe, 1500-1800
- Mario Castañeda - Musique et évangélisation dans les cathédrales de Mexico et Puebla aux XVIe et XVIIe siècles
Verleihung des Marta-Walter-Preises 2024
17.15 Uhr
Preisträger: Dr. Severin Kolb, Dr. Grégory Rauber
Apéro
18.00 Uhr
Abstracts
“God loves you, but not enough to save you” – Verarbeitung religiöser Traumata in der Musik von Ethel Cain
Amy Brüderlin
Die Musikerin Ethel Cain geht anders mit religiösen Themen um, als es in der Musikgeschichte bisher üblich war. Zwar legt sie sowohl in ihren Texten als auch auf der musikalischen Ebene einen klaren Fokus auf Gott und die Kirche. Jedoch geht die Musikerin, deren eigentlicher Name Hayden Silas Anhedönia lautet, anhand ihres Alter Egos Ethel Cain auf Traumata ein, die sie von ihrer religiösen Erziehung und dem kirchlichen Dogmatismus in ihrer Kindheit davongetragen hat. Ethel Cain ist für Anhedönia das Produkt der “aftershocks”, der “lingering effects of Christianity”, die sich nach ihrem Kirchenaustritt langsam bemerkbar machten und sich ein Ventil suchten. Ein Ventil, um die erlittenen Traumata von sich zu trennen und sie aus der Distanz zu verarbeiten.
Im Zentrum dieser Forschung steht das 2022 erschienene Konzeptalbum Preacher’s Daughter, das von Missbrauch, der Flucht vor transgenerationalem Trauma und toxischen Beziehungen mit Männern erzählt, die Ethel Cain langsam in den Abgrund und schlussendlich in den Tod reissen. Doch die Musik erzählt zumindest teilweise auch vom Leben Anhedönias, die Ethel Cain als ihr “dark, evil twin” bezeichnet. Die beiden sind nicht dieselbe Person, doch durch Ethel Cain lernte Anhedönia, von ihrer eigenen Vergangenheit zu erzählen. Für Anhedönia stellte die Kreation ihres Alter Egos nicht nur durch das Erzählen ein Weg zur Heilung dar, sondern vermochte ihr auch aufzuzeigen, was passieren könnte, wenn Anhedönia sich für einen falschen Weg entschieden hätte: „She’s [Ethel Cain] not evil per se, but we have both been through similar situations. If I didn’t choose to heal and forgive and forget, I would be ultimately destroyed, which is what happens to her. She is the mirrored version of what my life would be like if I chose not to get better.“
Diese Forschung beleuchtet in einem ersten Schritt das Projekt Ethel Cain, um anschliessend anhand psychoanalytischer und musiktherapeutischer Methoden die Entstehung des Alter Egos zu analysieren. Zusätzlich werden ausgewählte Songs des Albums Preacher’s Daughter psychoanalytisch untersucht, um versteckte (religiöse) Traumata sowohl auf der musikalischen als auch auf der textuellen Ebene aufzudecken
Emilie Mayer: Der Versuch einer chronologischen Einordnung der zwei Versionen ihres Streichquintetts d-Moll
Johanna Kulke
Emilie Mayer (*1812 in Friedland (Mecklenburg), †1883 in Berlin) galt als erste weibliche Berufskomponistin. Zu ihren Lebzeiten war sie sehr erfolgreich, in Kritiken wird ihr kompositorischer Stil oft mit dem von Ludwig van Beethoven verglichen. Ihr umfangreiches Œuvre reicht von Kammermusik bis hin zu sinfonischen Werken. Ihre Werke wurden in ganz Deutschland und auch im Ausland aufgeführt. Nach ihrem Tod verlor sie jedoch an Bedeutung, heute gelten einige ihrer Werke als verschollen oder sind noch immer ungedruckt.
Franz Liszt bezeichnete Mayers Streichquintett d-Moll als „vortrefflich ausgearbeitet“. Dieses Werk liegt in zwei Fassungen vor, welche sich in Aspekten der Form, Harmonik und Melodik deutlich unterscheiden. Komponiert hat sie dieses Quintett vermutlich zwischen 1853 und 1857.
Welche der beiden Versionen sie zuerst schrieb, lässt sich nicht genau feststellen, zumal sie ihre Werke nicht mit Datum versehen hat. Die Analyse beider Fassungen und deren Vergleich bieten interessante Einblicke in Mayers kompositorisches Schaffen.
Anhand konkreter Werkausschnitte stelle ich in meinem Vortrag dar, nach welchen Kriterien man versuchen kann, die beiden Fassungen chronologisch einzuordnen.
‘Elitäre Kunst’ trifft Massenmedium: Darstellung zeitgenössischer Musik am Schweizer Fernsehen seit 1970
Gabrielle Weber
Das Massenmedium Fernsehen avancierte in den siebziger Jahren zum neuen Leitmedium und machte Kunst- und Musikschaffen einem breiten Publikum zugänglich. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG/SSR) bespielte seit den frühen siebziger Jahren in drei regionalen TV-Sendern regelmässige Sendeplätze mit eigenen Musikproduktionen. Das Forschungsvorhaben verortet sich innerhalb des SNF-Forschungsprojekts der Hochschule der Künste Bern „Im Brennpunkt der Entwicklung“ zu den letzten Jahren des Schweizerischen Tonkünstlervereins (STV) und untersucht zeitgenössische Musik am Schweizer Fernsehen hinsichtlich ihrer Darstellung für ein grosses Publikum.
Forschungskonvolut bildet die Musikproduktion aus dem 2019 geöffneten Medienarchiv der SRG. Dabei werden exemplarische Musikproduktionen der drei Regionalsender vergleichend auf ihre Erzählweise und auf äussere Rahmenbedingungen, auf medialen Wandel und musikästhetische, kulturelle und gesellschaftliche Einflussfaktoren beleuchtet. Zudem wird Bezugspunkten zwischen STV und SRG nachgegangen. Im Referat stelle ich den aktuellen Stand des Forschungsvorhabens vor und gehe anhand von Beispielen auf die TV-Musikproduktion des italienischsprachigen Regionalsenders Radiotelevisione Svizzera (RSI) ein.
Gebrauchsmusik – A Busonian Legacy?
Chuyu Zhang
Has the name ‘Ferrucio Busoni’ and the concept ‘Gebrauchsmusik’ ever been found in the same sentence? Busoni’s l’art pour l’art stance, as reflected in both his futuristic Entwurf of 1907 and his ‘Young Classicality’ manifesto of 1920, seems to have little in common with the social mission of Gebrauchsmusik. But several prominent students in his Berlin masterclass engaged with Gebrauchsmusik in one way or another. Kurt Weill joined the socialist Novembergruppe in the late 1920s in Berlin to compose for ‘the masses’, while Robert Blum embarked on a career as a film composer in 1930s Switzerland that brought him national fame. These were very different types of music, aimed at different recipients – in Weimar Germany and Switzerland – whose political and economic circumstances were very different too. But if we consider Gebrauchsmusik in more general terms, we find that its varied strands retain their link to the Busonian legacy. For the ideals of both Gebrauchsmusik and Busoni’s ‘Young Classicality’ were intrinsically utopian – the former socio-political, the latter aesthetic. This paper will draw on research into the respective careers of Weill and Blum in the context of Busoni’s ‘Young Classical’ ideal to reexamine the notion of Gebrauchsmusik through a more critical lens.
Basel 2022
Ort: Vortragsaal, Musikwissenschaftliches Seminar, Universität Basel
Datum: 24. September 2022
Tagungsprogramm
13.30 Uhr: Ankunft und Begrüssungskaffee
Symposium
14.00 Uhr: Begrüssung
Prof. Dr. Cristina Urchueguίa
Prof. Dr. Hanna Walsdorf
Prof. Dr. Martin Kirnbauer
Chair: Helen Gebhart
- 14.15 Uhr: Vivian Domenjoz - Cherubini und die Kompositionslehre am Pariser Conservatoire zu Beginn des 19. Jahrhundert
- 14.45 Uhr: Philipp Wingeier - Basler Trommeln – zwischen Notation und Interpretation
15.15 Uhr: Kaffeepause
- 15.45 Uhr: Lukas Nussbaumer - Auseinandersetzungen mit Popmusik in der Neuen Musik im deutschsprachigen Raum, 1990–2020
- 16.15 Uhr: Sean A. Curtice - Phil. Trajetta and the American Conservatorio: Solfeggio, Thoroughbass, and Partimento in the Nineteenth-Century United States
Posterpräsentationen
16.45 Uhr
Anna Maria Savona, Thomas Tschudin
17.15 Uhr: Verleihung des Marta Walter Preises 2022
17.45 Uhr
Preisträger: Dr. Stephan Klarer
Apéro
18.15 Uhr: Restaurant Zaa Zaa Petersgraben 15
Abstracts
Cherubini und die Kompositionslehre am Pariser Conservatoire zu Beginn des 19. Jh.
Vivian Domenjoz
Luigi Cherubini (1760-1842) leitete bis zu seiner Ernennung zum Direktor 1822 eine Kompositionsklasse am Pariser Conservatoire. Gedruckte Quellen, die direkt mit seiner Tätigkeit als Kompositionslehrer zu tun haben, können auf zwei Finger gezählt werden: der Cours de contrepoint et de fugue (ca. 1835) und die Marches d’harmonie pratiquées dans la composition (posth. 1847). Andere, handschriftlich überlieferte Aufgaben umfassen vor allem jene Übungen, die propädeutisch am Conservatoire benutzt wurden, also vor dem eigentlichen Beginn des Kompositionsstudiums.
Übungen, die von Schülern Cherubinis innerhalb seines Kompositionsunterrichts niedergeschrieben wurden, sind erhalten: Pierre Marie-François Baillot (1771-1842) und vor allem Aimé Ambroise Simon Leborne (1797–1866) haben umfangreiche Sammlungen hinterlassen. Es ist anzunehmen, dass weitere Übungen von den ebengenannten oder von anderen Schülern und einer Schülerin Cherubinis, ebenfalls erhalten sind (Archives Nationales, Bibliothèque Nationale, Institut de France, Deutsche Bibliothek, Jagiellonische Bibliothek).
Trotz Forschung in diesem Bereich lässt sich feststellen, dass bezüglich Cherubinis Beitrag zur Musiktheorie nach wie vor eine Forschungslücke besteht. Kann der Kompositionsunterricht von Cherubini in seiner Gänze aus den zeitgenössischen Quellen rekonstruiert werden? Kann die in den Übungen implizit kodifizierte Theorie in ein praktisches Regelwerk überführt werden?
Diese These wird dank dem SNF ermöglicht.
Basler Trommeln – zwischen Notation und Interpretation
Philipp Wingeier
Im Zusammenhang mit der Fasnachtstradition entwickelte sich in Basel ein Trommelstil, der, aufgrund rhythmischer Unschärfen, durch die klassische Rhythmusnotation nur begrenzt repräsentiert werden kann. Das „Grällele“ (perlen) der Doublés mit dem leicht abgesetzten zweiten Sechzehntel, ist nur ein Beispiel dafür.
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung des Basler Trommelstils könnte die schweizweit einzigartige Notationsweise gespielt haben. Die früher verbreitete Hieroglyphenschrift begünstigte eigene rhythmische Interpretationen, da sie nur aus verschiedenen Zeichen und Symbolen bestand und keine rhythmische Genauigkeit aufwies. Eine solche Notationsweise machte das selbständige Erarbeiten eines Trommelstückes beinahe unmöglich. Die Tradierung der Stücke konnte deshalb nicht auf einer rein schriftlichen Ebene geschehen. Zur Erlernung der Trommelstücke und vor allem derer Rhythmik war man auf eine Lehrperson angewiesen.
In meinem Projekt gehe ich dem „Sound“ des Basler Trommelns auf den Grund. Mithilfe eines Audioeditors vergleiche ich Notation und Aufführungspraxis und suche nach rhythmischen Gesetzmässigkeiten im Basler Trommeln sowie nach Gründen für die Entstehung solcher Gesetzmässigkeiten.
Auseinandersetzungen mit Popmusik in der Neuen Musik im deutschsprachigen Raum, 1990–2020
Lukas Nussbaumer
Jahrzehnte lang wurde Popmusik von den Protagonist*innen der Neuen Musik im deutschsprachigen Raum kaum thematisiert. Erst seit ca. 1990 finden sich vermehrt Pop-Einflüsse in den Kompositionen etablierter zeitgenössischer Komponist*innen, ab 2010 lässt sich dann eine Beschleunigung der Annäherung von Neuer Musik an Popmusik beobachten. Hauptverantwortlich dafür ist die Generation der ‚Digital Natives‘ (Geburtsjahr um 1980), welche Verfahrensweisen, Klanglichkeit und Performativitätsaspekte von Popmusik mit einer neuen Selbstverständlichkeit in ihre jeweiligen Arbeiten integriert. Die verstärkte Beschäftigung mit Popmusik seit 2010 koinzidiert mit einem seit ca. 2000 (wieder) grösser werdenden Interesse von Vertreter*innen der Neuen Musik an der Frage nach der heutigen Relevanz des Avantgarde-Begriffs und den künstlerischen Strategien (Traditionsbruch, Schock, Manifeste, Entautonomisierung der Kunst, Öffnung zur Populärkultur etc.), die damit verbunden werden.
Anhand ausgewählter Beispiele (darunter Werke von Olga Neuwirth, Bernhard Lang, Brigitta Muntendorf, Alexander Schubert und Holly Herndon) möchte ich untersuchen, auf welchen Wegen und Arten Elemente der Popmusik – von Material (Aufnahmen) über Formen und ästhetische Verfahrensweisen (bspw. Loops, Sequencing, Mixtape) bis hin zu Aufführungsformaten – im oben genannten Zeitraum Eingang in die Neue Musik finden bzw. mit welchen Strategien sie kompositorisch verarbeitet werden. Theoretisch-diskursiv wird dabei die Frage gestellt, inwiefern diesbezüglich von avantgardistischer Kunst/Musik die Rede sein kann.
Phil. Trajetta and the American Conservatorio: Solfeggio, Thoroughbass, and Partimento in the Nineteenth-Century United States
Sean A. Curtice
In 1799, Filippo Trajetta (1776, Venice – 1854, Philadelphia), son of the celebrated opera composer Tommaso Trajetta, fled Naples as a political refugee aboard a ship bound for the United States of America. A pupil of Fedele Fenaroli and Niccolò Piccinni, Trajetta would spend the rest of his life cultivating Neapolitan musical traditions in the New World. He founded three successive schools of music, each called the American Conservatorio: in Boston (1800-1802), in New York (c.1812-c.1820) and in Philadelphia (1828-c.1850). Trajetta’s teaching employed Neapolitan exercises that he himself had studied (including the Duetti of Francesco Durante), as well as numerous newlycomposed exercises (including progressive solfeggi and practice pieces for choral ensembles). As in Naples, composition students received lessons emphasizing thoroughbass and counterpoint. The merits of Trajetta’s methods were proven by the premieres of his original oratorios, in which he performed with students and colleagues to enthusiastic public acclaim.
While the Conservatorio eventually faded without establishing an enduring “American partimento tradition,” Trajetta’s influence nevertheless rippled across musical life. A dedicated and charismatic teacher, he inspired lifelong devotion in his pupils, who pursued careers as composers, organists, professors, music journalists, and even the first conductor of the New York Philharmonic. Nearly fifty years after Trajetta’s death, his student Albert Emerick continued to advocate “a return to the Regola d’Ottava[…] and its treatment as practised in the four Conservatorios of Naples,” the “admirable Partimenti[…] by Fedele Fenaroli,” and “that system which was studied and practised by[…] Phil. Trajetta, my beloved master.”
Trajetta’s career sheds invaluable new light on the dissemination of solfeggi and partimenti beyond Naples, on the famously esoteric Neapolitan oral teaching traditions, and on the early development of American musical culture.
Posters
Bern 2020
Ort: Kuppelraum, Hauptgebäude der Universität Bern, Hochschulstrasse 4
Datum: 17. September 2020
Tagungsprogramm
08.30 Uhr: Registrierung und Begrüssungskaffee
Symposium
09.00 Uhr: Begrüssung
Prof. Dr. Cristina Urchueguía
Chair: Benedict Zemp
- 09.05 Uhr: Yves Chapuis - Die Generation Z im Blasmusikwesen
- 09:30 Uhr: Robert Michler - Drum Machines und Quantisierung in Pop & Rock Musik: Der Klang der 80er
- 09.55 Uhr: Ronan Gil de Morais - Un instrument appelé Sixxen : la matérialisation microtonale de l'univers sonore et compositionnel de Iannis Xenakis et ses répercussions
- 10.20 Uhr: Eva-Maria Hamberger - Die Musikpraxis der Einsiedler Mönche während ihres Exils (1798-1804) am Fallbeispiel Magnificat
10.40 Uhr: Kaffeepause
- 11.00 Uhr:Anna Hürlimann - Mitsingen im Klassenverband: Wie lässt sich der Liederwerbsverlauf eines einzelnen Kindes analysieren?
- 11.20 Uhr: Annamaria Savona - ‘I'll do it first’: How a generalist teacher presents a song model to the class
- 11.40 Uhr: Gabriella Cavasino - Liedführung: die musikalische Reise eines erfahrenen Lehrers
- 12.00 Uhr: Dr. Caiti Hauck - Chorleben in der Stadt Bern im langen 19. Jahrhundert: Aktivitäten und Repertoire
12.20 Uhr: Mittagspause
Chair: Dr. Rafael Rennicke
- 13.30 Uhr: Dr. des. Cla Mathieu - Ein Erneuerer der Gitarre, die Vortragskunst des Miguel Llobet (1878-1938)
- 13.55 Uhr: Giovanni Cantarini - Tra speranza e fortuna. Paolo da Firenze and the intertextual network of F-Pn it. 568 (Pit)
- 14.20 Uhr:Guillaume Castella- Le donne curiose d’Emilio Usiglio : la dramaturgie goldonienne dans l’opera buffa de l’Italie unifiée. Guillaume Castella
- 14.45 Uhr: Antonius Adamske - Krise der Ämter – Konnex der Akteure. Göttinger Musikgeschichte vor 1800 als musikalische Landschaft in Bewegung
15.10 Uhr: Kaffeepause
Posterpräsentationen
16.00 Uhr
- Ronan Gil de Morais, Sarah Brabo Durand und Nina Maghsoodloo - Participatory performative practices: how to involve the audience?
- Tül Demirbas -The Sound of Power. Sound as an Intermedial Category in the 15th-17th Centuries Ottoman Court Festivals
- Giovanni Battista Graziadio - The use of the bassoon in Naples during the 17th and 18th centuries
- Sara Andreacchio - Improvisatory gestures into composition. Francesco Pollini’s piano introductory movements in accordance with the improvisatory practice of his time
- Antonius Adamske - Krise der Ämter - Konnex der Akteure. Göttinger Musikgeschichte vor 1800 als musikalische Landschaft in Bewegung
- Annamaria Savona - Singing in class. How generalist teachers lead children's groups in song
- Liisa Lanzrein: Ligeti zwischen Ungarn und Darmstadt: Die Zwölftonmusik und der eiserne Vorhang
- Gigliola di Grazia - “A singing phrase the way I liked it”: Friedrich Kalkbrenner’s response to the Viennese piano sound
- Gabriella Cavasino - Variations in the initial and middle phase of song-leading in pre-service teachers
Verleihung des Handschin-Preises 2020
18.00 Uhr
Preisträger/in: Dr. Laura Decurtins, Dr. Rafael Rennicke
Apéro Riche
19.00 Uhr
Abstracts
Die Generation Z im Blasmusikwesen
Yves Chapuis
Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten Blasmusikvereine einen hohen Stellenwert in vielen Ortschaften. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Situation drastisch verändert und viele Vereine kämpfen heute gegen einen anhaltenden Mitgliederschwund. Als Gründe für die Probleme wird häufig angegeben, die Jungen hätten zu viel zu tun, seien nicht mehr bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren und hätten zu viele alternative Freizeitangebote. Diese Begründungen sind symptomatisch für die passive Haltung, die durch viele Vereine eingenommen wird: An sich selbst etwas verändern wollen die wenigsten.
In meiner Masterarbeit untersuche ich am Beispiel der Musikgesellschaft Lyss, wie sich die Generation Z (Jahrgang 1995 bis 2010) in der deutschschweizer Blasmusikszene sieht. Ein wichtiger Ansatzpunkt stellt dabei das gespielte Repertoire dar. Eine Umfrage hat ergeben, dass viele und insbesondere jüngere Vereinsmitglieder Blasmusik nicht gerne hören, sie aber im Verein gerne spielen. Als Motivationsgründe für die Mitgliedschaft im Verein werden demnach auch bedeutend mehr soziale als musikalische Aspekte genannt. Dies liegt wahrscheinlich zumindest teilweise daran, dass viele Blasmusikvereine nicht mit aktuellen musikalischen Trends Schritt halten können.
Das verstaubte Image der Blasmusik wird durch militärische Uniformen und veraltete Werbetechniken noch verstärkt. Lösungen für diese Probleme zu finden ist allerdings schwierig: Viele Mitglieder identifizieren sich mit den Uniformen, das technische Wissen für Werbung über die sozialen Medien fehlt oft und Arrangements der aktuellsten Songs sind selten verfügbar. Diese Schwierigkeiten werden dadurch verstärkt, dass insbesondere ältere Mitglieder in vielen Vereinen Veränderungen gegenüber negativ eingestellt sind.
Die Musikgesellschaft Lyss hat sich selbst im Sommer 2019 umstrukturiert um eine breitere Bevölkerungsschicht anzusprechen. Die Uniformen wurden gegen eine modernere Bekleidung eingetauscht, Werbung wird mit Videos in den sozialen Medien betrieben und im September ist ein Konzert mit einer Sängerin und einem Rapper geplant.
Meine Masterarbeit stellt eine erste Evaluation der neuen Strategien dar: Wurde die Musikgesellschaft Lyss durch sie tatsächlich attraktiver für die Generation Z? Welche Auswirkungen hat der neue Weg auf die älteren Generationen? und Lassen sich die Strategien auch auf andere Blasmusikvereine übertragen?
Drum Machines and Quantisierung in Pop&Rock Musik: Der Klang der 80er
Robert Michler
Studioproduktionen in Pop- und Rockmusik haben sich seit den 1980er Jahren mit dem Aufkommen und der weiten Verbreitung von Technologien wie MIDI, Synthesizers und Drum Machines zu rhythmisch akkuraten Prozessen entwickelt und damit die Aufführungspraxis hinsichtlich Ästhetik und Stilistik entscheidend beeinflusst. Eingeläutet wurde die neue Spiel- und Produktionsweise in Subkulturen wie dem Funk, Soul, Hip-Hop und R&B, und dann schnell von den Protagonisten des Pop übernommen.
Quantisierung bezeichnet das Organisieren von rhythmischen Ereignissen anhand eines durchgängigen und gleichmäßigen Rasters (englisch: Grid,, vgl. Brockhaus/ Weber, S.218, 2010) innerhalb digitaler Produktionsprozesse, und hat somit entscheidenden Einfluss auf popspezifische Komponenten des Groove, einem zentralen Begriff zur Wahrnehmung und Beurteilung von Pop- und Rock-Musik. Das Verfahren wurde zunächst primär dafür genutzt, rhythmische Ungenauigkeiten von ausführenden Musikern zu korrigieren und an ein bestehendes, exaktes und gleichmäßiges Muster anzugleichen. Gleichzeitig waren Musiker gezwungen, sich dem rhythmischen Diktat der Maschinen spieltechnisch anzupassen und das sogenannte Microtiming – also die rhythmische Genauigkeit zwischen den Hauptschlägen – zu perfektionieren und auf eigene Variationen hinsichtlich der Interpretation des Tempos komplett zu verzichten.
Es ist anzunehmen, dass damit ein Paradigmenwechsel hinsichtlich der Genauigkeit und Wahrnehmung des Groove und den anhängenden Produktions-Settings eingeleitet wurde, der bis in die heutige Zeit andauert und wirkt, aber noch nicht ausreichend erforscht und erklärt wurde.
Dieses Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Auswirkungen von Drum Machines und Quantisierung anhand von signifikanten Fallbeispielen u.A. vonMichael Jackson, Prince und New Order im Zeitraum 1980 bis 1995 darzustellen und durch musikalische Analyse untersuchen. Obwohl die regelmäßige Verwendung der Quantisierung im aktuellen Forschungsdiskurs als unstrittig erscheint, soll eine Evaluation der amerikanischen Billboard-Charts stattfinden, die den Paradigmenwechsel im Groove auch quantitativ belegt.
Diese Arbeit basiert methodisch auf qualitativen und quantitativen Interviews, musikalischer Analyse und der Berücksichtigung bestehender Medien- und Kulturtheorien, der Science and Technologoy Studies (STS) mit der Actor-Network Theory (ANT) und der Actor-Media Theory (AMT) und geht von der These aus, dass die Quantisierung einen bisher weitgehend unbeachteten paradigmatischen Wandel innerhalb der Pop- und Rock-Musik bewirkt. Diskursanalysen sollen die Annahme bestätigen, dass zeitgemäße Studioproduktionen die Praxis der Quantisierung bewusst anwenden und klären, inwiefern die maschinelle Ästhetik eine Neuordnung für den Groove bedeutet.
Un instrument appelé Sixxen : la matérialisation microtonale de l'univers sonore et compositionnel de Iannis Xenakis et ses répercussions
Ronan Gil de Morais
La recherche de nouvelles possibilités sonores et de timbres spécifiques par des compositeurs a stimulé le développement de nouveaux instruments acoustiques et Iannis Xenakis (1922-2001) s'est particulièrement intéressé à la création d'une percussion microtonale innovatrice. L'instrument de Xenakis appelé Sixxen se situe et est conçu, comme beaucoup de ses œuvres, entre théories profondes et révolutionnaires et pratiques très exigeantes. Issu des collaborations et des échanges entre Xenakis (XEN) et l'ensemble Les Percussions de Strasbourg (SIX) pour la création de la pièce intitulée Pléïades(1978-79), le nom de l'instrument (SIX-XEN) éternise donc la relation compositeur-interprètes mais aussi la multiplicité de l'instrument em lui-même (du fait qu'il doit être joué par six personnes en même temps). Il s'agit ainsi d'un instrument multiple avec des caracteristiques microtonales décrites par Xenakis de manière ouverte et donc construit selon des paramètres, des décisions techniques et/ou esthétiques particulières à chaque luthier. Le Sixxen comporte, à la base, six modules dont chacun est accordé différement par rapport aux cinq autres. Cet instrument est directement lié à certaines conceptions spécifiques de Xenakis concernant l'environnement sonore, les timbres complexes et la composition et, pour le comprendre, il est nécessaire donc de discuter le contexte des influences et des pensées de Xenakis, l'environnement entourant la création de Pléïades, les prototypes auxquels Xenakis a eu accès et les échanges qui ont pu avoir lieu entre lui et les luthiers et percussionnistes. Il est également intéressant de comprendre le panorama actuel des prototypes et du répertoire spécifique, et les enjeux qui peuvent determiner l'horizon de travail futur des luthiers, instrumentistes et compositeurs. Le projet présenté est divisé en 5 parties et il cherche donc à esquisser et à discuter la définition et les aspects conceptuels de cet instrument microtonal, les questions historiques des premiers prototypes dévéloppés avec Xenakis, la diffusion et diversité actuelle de prototypes, le répertoire constitué pour Sixxen, et des aspects analytiques de Pléïades pour comprendre l'application pratique par Xenakis de son instrument. Les aspects méthodologiques sont basés sur une recherche documentaire approfondie et des entretiens avec des compositeurs, interprètes et luthiers qui ont eu un contact direct avec Xenakis et se sont consacrés à la construction de l'instrument. Le présent projet analyse également les informations concernant la notation spécifique du Sixxen et, d'une certaine manière, la redéfinition qui a été générée par l'application pratique de l'instrument au fil du temps. Il discute donc une vaste documentation sur une importante création instrumentale acoustique du XXe siècle ainsi que des éléments pour comprendre l'univers sonore et l'approche compositionnelle de Xenakis.
Die Musikpraxis der Einsiedler Mönche während ihres Exils (1798-1804) am Fallbeispiel Magnificat
Eva-Maria Hamberger
Als am 3. Mai 1798 französische Soldaten in Einsiedeln einmarschierten, mussten sie feststellen, dass ihr eigentliches Ziel – die Benediktinerabtei Maria Einsiedeln – verwaist war. Die letzten Mönche waren nur Stunden zuvor aus der Reichsabtei geflohen. Ihr vorläufiges Ziel, die in Vorarlberg (Österreich) gelegene Propstei Sankt Gerold, sollte für die nächsten Jahre der zentrale geistige und geistliche Stützpunkt der Einsiedler Benediktiner werden.
Ziel der Forschung im Rahmen dieser Dissertation ist es, ausgehend von der Wiederentdeckung einer Musikhandschrift aus der Zeit des Exils in der Bibliothek der Propstei Sankt Gerold aufzuzeigen, wie sich die musikalische Praxis der Einsiedler im Exil darstellte und wie sich diese durch die begrenzten Möglichkeiten im Vergleich zum reichhaltigen Musikleben im Mutterkloster veränderte.
Das Referat möchte diesen Aspekt anhand von Magnificat-Vertonungen beleuchten, welche sowohl vor der Flucht als auch während des Exils entstanden. Ausgewählt wurden hierfür ausschliesslich Kompositionen von Einsiedler Konventualen – schliesslich kann das Kloster auf eine lange Tradition mit zahlreichen bedeutenden Komponisten und Musikern unter den Mönchen zurückblicken.
Mitsingen im Klassenverband: Wie lässt sich der Liederwerbsverlauf eines einzelnen Kindes analysieren?
Anna Hürlimann
Für die kulturelle Bildung von Kindern ist es wichtig, dass sie im schulischen wie ausserschulischen Kontext regelmässig gemeinsam singen. Sie erwerben dadurch ein Liedrepertoire und lernen dabei die sprach-musikalischen Regeln des gemeinsamen Singens, etwa das Angleichen von Tonhöhen oder das Nachsingen einer Melodie.
Mein Dissertationsprojekt behandelt fachdidaktische Fragen zum Thema Klassengesang Leiten. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie ein Kindergartenkind im Klassenverband ein neues Lied mitsingt und lernt, ein komplexes Gebilde – bestehend aus Melodie und Text – dem von der Lehrerin angeleiteten Modell anzunähern und am Klassengesang teilzunehmen. Als Daten liegen Videoaufnahmen von Singlektionen sowie Einzelmikrofon- Aufnahmen von Lehrpersonen und einzelnen Kindern vor.
Ausgangspunkt der Analyse des Mitsingens ist das Lied als angeleitetes und gemeinsam geteiltes Modell, welches wir in einzelne Silben unterteilen. Diese Unterteilung erlaubt es, die gesungenen Silben sowohl des Kindes wie auch der Lehrperson akustisch zu analysieren und dabei zu erkennen, wann das Kind was singt, und wann es nicht singt. Jede gesungene Silbe kann mikroanalytisch anhand verschiedener Eigenschaften bestimmt werden; vor allem interessieren die Vokal-Konsonant-Kombination, die Tonhöhen und die zeitliche Organisation (gleichzeitiger oder versetzter Beginn und Dauer, Betonungsmuster). Mit diesem mikroanalytischen Vorgehen lässt sich ermitteln, an welchen Stellen des Liedes ein Kind mitsingt, wo es Silben auslässt oder nur andeutet, welche Tonhöhen es singt, und wann es zeitgleich oder verzögert mit der Lehrperson oder der Klasse mitsingt.
Mit dieser Vorgehensweise und unterstützt mit akustischer Analyse habe ich das Mitsingen eines einzelnen Kindes, Mia, während einer Singlektion untersucht. Die Mikroanalysen und deren Visualisierungen zeigen, wie das Mädchen bei jedem Wiederholen des Liedes, zuerst bruchstückhaft, und dann zunehmend mehr Silben zu einem Ganzen - dem vorgesungenen Lied - zusammensetzt. Dabei stösst das Kind auf Herausforderungen und bewältigt Schwierigkeiten wie das gleichzeitige Singen und Bewegen oder das zeitgleiche Einsetzen in eine gemeinsame Singhandlung. Einige Probleme zeigen sich besonders dann, wenn die Lehrperson ambivalente Anleitungen gibt.
Meine mikrogenetischen Analysen zeigen, wie ein Kind in der Klasse, unter Anleitung, ein neues Lied erwirbt und zum gemeinsamen Singen beiträgt.
‘I'll do it first’: How a generalist teacher presents a song model to the class.
Annamaria Savona
The formal introduction of children to the cultural practice of group singing usually begins in early education institutions where generalist teachers plan to teach songs in class. The Song Leading research project studies how pre-service and experienced teachers organise their general and domain-specific skills. Using the Lesson Activities Map – the transcript of key activities and their combination whilst a lesson –, the structure of video-recorded lessons is displayed and the properties of particular lesson moments are examined. Interviews and semi-structured personalised questionnaires are analysed in order to reconstruct the teachers’ individual profiles in narrative form. This paper presents the case study of pre-service teacher Laura who, during each lesson, repeatedly recited the lyrics and sang solo to provide the children with a song model. The analysis of selected episodes shows how and why Laura’s sung model deviates from the given original song. What conditions may have led Laura to produce an unstable song model? Through this case study, this paper discusses topics that may be common to teachers who lead singing in the classroom.
Liedführung: die musikalische Reise eines erfahrenen Lehrers
Gabriella Cavasino
Musik und Liedersingen ist ein weit verbreitetes Ausdrucksmittel und ein Mittel der kulturellen Weitergabe zwischen Erwachsenen und Kindern. In Schulen wird diese Praxis hauptsächlich von Generalisten als einer der verschiedenen Teile des Schulalltags der Kinder geleitet. Wie plant ein generalistischer Lehrer eine Unterrichtsstunde? Wie wirken sich die lang- und kurzfristigen Ziele des Lehrers auf seine Unterrichtsorganisation aus? Wie kann die Lehrerin/der Lehrer während des Unterrichts Tempo und Richtung ändern, um den Reaktionen der Kinder auf ihren Unterricht entgegenzukommen?
Im Rahmen des Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds (2018-2020), The song leading capacity: developing professionalism in teacher education, durchgeführt zwischen der PH Schwyz, der UZH und HEP-BEJUNE, haben sowohl Vordienst- als auch erfahrene generalistische Lehrerinnen und Lehrer Lieder an Kinder zwischen 4 und 9 Jahren unterrichtet. Durch die Video- und Interviewanalyse konnten wir die Komplexität jeder Lektion beobachten und mit Hilfe der vom Forschungsteam entwickelten LAMap-Methode zu einer Visualisierung zusammenstellen, die die Sicht der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer auf ihren Unterricht beleuchtet. Im Fall von Jenny, einer erfahrenen Lehrerin, konzentrierten wir uns auf die Gerüstsequenz während des Prozesses, den Kindern ein neues Lied beizubringen. Insbesondere waren wir in der Lage, jeden Schritt der Gerüstsequenz in Bezug auf die Ziele, Bedenken und Absichten, die von der Lehrerin bezüglich der Gruppe und/oder bestimmter Kinder geäußert wurden, zu kontextualisieren und zu charakterisieren.
Chorleben in der Stadt Bern im langen
Caiti Hauck
Die Stadt Bern hatte im langen 19. Jahrhundert ein dynamisches Chorwesen: Zwischen 1810 und 1911 wurden mehr als 80 Chöre gegründet. Gemischte Chöre, Frauenchöre und insbesondere Männerchöre prägten das bernische Musikleben. Doch worin genau bestanden ihre Aktivitäten? Welche Art von Konzerten oder Veranstaltungen haben sie organisiert? Was haben sie gesungen? Mittels Untersuchung von Primärquellen zielt dieses Referat darauf ab, diese Fragen zu beantworten und die Rolle der Gesangvereine im gesellschaftlichen Leben zu diskutieren. Solche Ergebnisse sind Teil einer laufenden Forschung über das bernische und freiburgische Chorleben, die vom EU-Programm Horizont 2020 gefördert und am Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern durchgeführt wird.
Ein Erneuerer der Gitarre. Die Vortragskunst des Miguel Llobet (1878–1938)
Cla Mathieu
Wie analysiert man die vielfältigen Dimensionen des praktischen Musizierens einer global agierenden Interpretenpersönlichkeit? Dies war eine der methodischen Grundfragen meiner im Frühjahr 2020 an der Universität Bern abgeschlossenen Dissertation zum Wirken des spanischen Gitarristen Miguel Llobet (1878-1938). Geboren in Barcelona, entwickelte sich Llobet zum führenden Gitarristen des frühen 20. Jahrhunderts, dessen Musizieren einerseits den Aufführungstraditionen des ausgehenden 19. Jahrhunderts verpflichtet war, andererseits aber auch von den jüngeren kompositorischen und performativen Entwicklungen beeinflusst wurde. Freundschaften mit Musikern wie Manuel de Falla, Maurice Ravel oder Ricardo Viñes deuten dies an; seinerseits war Llobets Vorbild für jüngere Gitarristen, wie unter anderem Andrés Segovia.
Anhand von Llobets Tonaufnahmen von 1929 lassen sich charakteristische Zugangsweisen an die klangliche Realisierung eines Notentextes herausarbeiten und in einen weiteren Kontext stellen; die Zeitgestaltung, die sich weitgehend empirischen Methoden erschliesst oder etwa das Cantabile, welches Llobet als einen Musiker der ‘espressivo’-Tradition ausweist. Entscheidend für Llobets Erfolge auf den Bühnen Europas und in Übersee war jedoch eine überragende Virtuosität auf seinem Instrument, auf deren Inszenierung er seine Programme gezielt ausrichtete. In der Rezeption spiegeln sich die Denkfiguren des zeitgenössischen Virtuositätsdiskurses wider, wie etwa die oft mit nationalen Stereotypisierungen aufgeladene Opposition von ‘Werk’ und virtuoser Performance. Äusserer Rahmen dieser Inszenierung des virtuosen Körpers waren schliesslich die Konzerträume, in denen Llobet meist als erster Gitarrensolist überhaupt auftrat, und die sinnbildlich für die neue Identität stehen, welche das Instrument in seinen Händen annahm.
Tra speranza e fortuna. Paolo da Firenze and the intertextual network of F-Pn it. 568 (Pit)
Giovanni Cantarini
In the arrangement of the manuscript Pit 568 - probably the only case among the fourteenth-century sources in the Italian area - it seems that the pieces added in a secondary position are not the result of a simple filling process of the available space, but rather the result of a combination of different intertextual purposes: starting from the simple thematic grouping, or from following an order according to musical forms – without further pretensions of strong intertextual connections – up to being almost glosses of the pieces copied in primary position. Even the works of Paolo da Firenze (the last one in general chronological terms) seem to adapt themselves to this logic and, precisely because of their peculiar musical and literary value, for their pedagogical-didactic implications, for their relationship with the French sources present in good number in the manuscript, enter into dialogue (thanks to its position in the general order of the gatherings), with the pieces of music of the recent and remote tradition scattered in crucial points of Pit's macrotext.
Le donne curiose d’Emilio Usiglio : la dramaturgie goldonienne dans l’opera buffa de l’Italie unifiée
Guillaume Castella
L’opera buffa italien post-Rossini demeure l’un des parents-pauvres de la critique musicologique. Si Don Pasquale est aujourd’hui considéré comme le chant du cygne du genre musico-dramatique léger en Italie, l’opera buffa reste pourtant un sujet largement considéré et débattu dans la presse musicale de la deuxième moitié du XIXe siècle. Considéré comme essentiellement italien, le genre joue un rôle identitaire majeur dans la construction culturelle de l’Italie unifiée. Emilio Usiglio, connu principalement pour son activité de chef d’orchestre – ayant notamment assuré la tournée italienne de l’opéra Aida – est l’un des rares compositeurs de la deuxième moitié du XIXe siècle à ne s’être consacré qu’à la production bouffe au cours de sa carrière. Son premier opéra, La locandiera, basé sur la célèbre comédie de Carlo Goldoni, est accueilli favorablement par la critique et par le public du Teatro Vittorio Emanuele en 1860. Près de vingt ans plus tard, il s’attèle à la composition d’une autre œuvre sur une source goldonienne, Le donne curiose, créée en 1879 au Teatro Real de Madrid puis au Teatro dal Verme de Milan. L’œuvre révèle les transformations de la dramaturgie musicale buffa qui s’imposent durant les premières décennies du nouveau royaume, en même temps qu’elle témoigne de la place culturelle de l’œuvre de Goldoni et de la tradition goldonienne dans l’Italie unifiée. Alors que l’humour et la comédie font l’objet d’un vif débat dans la presse littéraire et musicale, le modèle goldonien sur lequel se fonde le théâtre en musique comique de l’Italie depuis un siècle est remis en cause et réarticulé pour satisfaire la nouvelle sensibilité bourgeoise des salles de spectacle des années 1870. Cette communication a pour but d’aborder les transformations de l’opera buffa à travers l’œuvre d’Usiglio et d’ouvrir des perspectives de recherche sur le développement culturel et identitaire de l’Italie unifiée.
Krise der Ämter – Konnex der Akteure. Göttinger Musikgeschichte vor 1800 als musikalische Landschaft in Bewegung
Antonius Adamske
The thesis explores the musical tradition of Göttingen, a mid-sized town without a court, located in a regional interspace, in the 18th century. It analyses extensive dossiers and takes into consideration elements of everyday life and regional history, as well as thoughts on the culture of debate in the early modern period. The individual behaviour of Göttingen musicians contributed to the manifold transformation of their function. Divergent strategies of communication led to varying levels of success regarding appeals procedures, hierarchy and public musical reputation. The decline of traditional structures, such as the Musikzwang of the Stadtkantor and the Stadtmusiker, was accelerated by the foundation of the University of Göttingen in 1734 and especially by the establishment of a collegium musicum modelled on the collegium in Leipzig. On the other hand, the presence of the Academy facilitated the emergence of innovative compositions in Göttingen, connected to individuals such as Johann Friedrich Schweinitz and Carl Friedrich Rudorff.