Mitsingen im Klassenverband: Wie lässt sich der Liederwerbsverlauf eines einzelnen Kindes analysieren? Anna Hürlimann
Für die kulturelle Bildung von Kindern ist es wichtig, dass sie im schulischen wie ausserschulischen Kontext regelmässig gemeinsam singen. Sie erwerben dadurch ein Liedrepertoire und lernen dabei die sprach-musikalischen Regeln des gemeinsamen Singens, etwa das Angleichen von Tonhöhen oder das Nachsingen einer Melodie.
Mein Dissertationsprojekt behandelt fachdidaktische Fragen zum Thema Klassengesang Leiten. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie ein Kindergartenkind im Klassenverband ein neues Lied mitsingt und lernt, ein komplexes Gebilde – bestehend aus Melodie und Text – dem von der Lehrerin angeleiteten Modell anzunähern und am Klassengesang teilzunehmen. Als Daten liegen Videoaufnahmen von Singlektionen sowie Einzelmikrofon-Aufnahmen von Lehrpersonen und einzelnen Kindern vor.
Ausgangspunkt der Analyse des Mitsingens ist das Lied als angeleitetes und gemeinsam geteiltes Modell, welches wir in einzelne Silben unterteilen. Diese Unterteilung erlaubt es, die gesungenen Silben sowohl des Kindes wie auch der Lehrperson akustisch zu analysieren und dabei zu erkennen, wann das Kind was singt, und wann es nicht singt. Jede gesungene Silbe kann mikroanalytisch anhand verschiedener Eigenschaften bestimmt werden; vor allem interessieren die Vokal-Konsonant-Kombination, die Tonhöhen und die zeitliche Organisation (gleichzeitiger oder versetzter Beginn und Dauer, Betonungsmuster). Mit diesem mikroanalytischen Vorgehen lässt sich ermitteln, an welchen Stellen des Liedes ein Kind mitsingt, wo es Silben auslässt oder nur andeutet, welche Tonhöhen es singt, und wann es zeitgleich oder verzögert mit der Lehrperson oder der Klasse mitsingt.